Freitag, 17. Juni 2016

Mutter- und Vatertag

Bolivien feiert seine Mütter am 27. Mai und die Väter am 19. März.
Der Muttertag gilt hier, wie bei uns, als Fest zu Ehren der Mütter, hat aber noch eine weitere wichtige Bedeutung.
In Folge von Revolutionsbewegungen die im Jahre 1809 begannen, zogen die Spanier  durchs Land, um eben diese nieder zu schlagen. Im Jahre 1812 kam es in Cochabamba zu einem Blutbad. Um ihre Söhne und Ehemänner vor den bewaffneten Truppen zu schützen, beschlossen die Frauen, sich den Spaniern entgegen zu stellen. Sie stiegen auf den Hügel San Sebastian und stellten sich den Angreifern in den Weg. Sie rechneten nicht mit der Grausamkeit der Spanier. Diese metzelten die Frauen nieder und konnten die Stadt innerhalb weniger Tage besetzen.
Lange galt der 27. Mai daher als Trauertag. 1972 wurde beschlossen, diesen Tag zum offiziellen Muttertag in Bolivien zu machen und so diese tapferen Frauen Cochabambas für immer im Gedächtnis zu behalten. Von dieser traurigen Geschichte haben wir an der Feier in der Kita unserer Tochter nichts mitbekommen.
Der Vatertag wir in Bolivien seit vielen Jahren am Josephstag gefeiert, der Ursprung liegt in den USA.
Uns war lange nicht bewusst, wie wichtig der Mutter- und Vatertag hier sind. Wir stellten schon fest, dass Matilda etwas nervös war und dauernd  „Mama - und Papa - Lieder“ sang, doch keine Sekunde dachten wir an diese Feierlichkeiten. Kurz vor den jeweiligen Ereignissen erhielten Paulo und ich wunderschöne Karten in welchen die Papas zum Vatertags- und die Mamas zum Muttertags Fest in die Kita eingeladen wurden. Erst hatte wir ein bisschen ein schlechtes Gewissen an diesen Tagen frei zu nehmen da verschiedene Sitzungen anstanden. Als wir trotzdem fragte, war die Antwort von beiden unserer Arbeitgeber sonnenklar: natürlich, da müsst ihr hingehen! Alle Väter und Mütter gehen hin, die Sitzungen werden verschoben da sowieso die Meisten in den Schulen sind.
Wer kleine Kinder hat, verbringt den Tag in der Schule wo Auge und Ohr mit Konzerten, Tanz, Gedichten oder Theater verwöhnt werden. Viele Familien gehen an dem Tag auch auf den Friedhof um die verstobenen Mütter und Grossmütter zu besuchen, danach gibt`s ein grosses Essen in der Familie.
Einmal mehr dürfen wir erleben, wie wichtig die Familie hier ist.

Wer Matilda wieder mal ein bisschen näher erleben möchte, kann in folgenden Videos kleine Ausschnitte der Anlässe von Matilda mit ihren Freunden der Kita Montessori Infante in Cochabamba geniessen. Durch das häufige Tränchen - Abwischen ist das Bild halt etwas verwackelt.








Mittwoch, 1. Juni 2016

Trockenzeit in Cochabamba

Die Regenzeit beginnt in Cochabamba im November mit schwachen Niederschlägen, von Dezember bis Februar sollte es stark regnen, um im März langsam auszuklingen –normalerwiese - wäre da kein Klimawandel und kein “El Niño” Jahr.

 Pasorapa, Cochabamba, November 2015
Im September 2015 sind wir in Cochabamba angekommen, es war trocken, staubig und windig. Die Menschen erwarteten sehnlichst den Regen.  Als im Dezember kaum Tropfen gefallen sind, wurden viele Menschen unruhig. Auf Reisen zu den verschiedenen Dorfgemeinschaften in welchen Projekten der Frauengruppen laufen, sahen wir bis aufs Skelett abgemagerte Kühe die versuchten Kaktusse mit Stacheln von 5cm Länge zu fressen. Die Regierung organisierte Wassertransporte, trotzdem sind viele Tiere eingegangen. Wir beobachten, dass die Regierung bei Naturkatastrophen Unterstützungsprojekte organisiert, präventiv aber kaum aktiv ist.

Bereits jetzt hören wir Diskussionen von besorgten Dorfbewohnern, in welchen sie über die diesjährige Ernte berichteten. “Ja – der Mais könnte knapp reichen, doch die Kartoffelernte war schlecht, bis zum nächsten Regen reicht es nicht.” In den kleinen Dorfgemeinschaften wird für den Eigenbedarf angepflanzt. Sollte die Ernte ausserordentlich gut ausfallen, würde der Überschuss auf den umliegenden Märkten verkauft. Das wird dieses Jahr kaum der Fall sein.

Nun ist bereits Juni, im Januar und Februar fiel zwar Regen, doch zu wenig. Die Wasserreserven wurden nicht ausreichend aufgefüllt. Gut sichtbar ist dies an den Seen, oben in den Bergen Cochabambas. Das Wasser ist bereits jetzt, im Juni, knapp – und die trockenste Periode beginnt erst. Dies betrifft die Berg- und Talregionen von Cochabamba, anders sieht es in der tropischen Region des Departements aus, im Chaparé. Im Februar regnete es dort sehr stark, grosse Flüsse traten über die Ufer und zerstörten Häuser und Felder.

Was bedeutet dies für die Menschen? Die Landbevölkerung ist am ersten und stärksten betroffen, da ihre Einkommen von der Ernte und somit vom Wetter abhängig sind. Wer nicht genug zum Überleben erwirtschaften kann, ist auf Unterstützung von der Familie und Bekannten angewiesen, gibt es diese Unterstützung nicht, ist oft die Migration in die Stadt oder ins Ausland die einzige Hoffnung. Vom Leben in der Stadt erhoffen sich viele eine Arbeit, Zugang zu einem Gesundheitssystem und Bildung für Kinder und Jugendliche. Diese Dinge sind zwar vorhanden, doch nicht für alle im gleichen Ausmass. Oft weisen diese MigrantInnen eine sehr geringe schulische Bildung vor und sprechen nicht fliessend Spanisch, Quechua ist hier meist ihre Muttersprache. Dies schränkt die Chancen auf dem Arbeitsmarkt ein und erschwert das Alltagsleben. Eine weitere Herausforderung bedeutet das Verlassen des unterstützenden Familiensystems. In der Schweiz institutionalisierte Hilfsangebote sind in Bolivien meist Aufgabe der Familie (ausser man hat genug Geld um sich ausserfamiliäre Unterstützung zu kaufen).

Die Trockenzeit betrifft die Menschen auf dem Land stärker und direkter, doch auch in der Stadt sind die Auswirkungen spürbar. Gerade am Stadtrand sind viele Haushalte nach wie vor nicht am städtischen Wasserversorgungssystem angeschlossen, andere haben einen Anschluss, doch fliessendes Wasser gibt es täglich nur an wenigen Stunden.

                                                                       Quinua- Bauer im Altiplano
Wie die Regierung dieses Jahr reagieren wird, ist noch nicht bekannt. Noch hat es Wasser und Nahrungsmittel. In früheren Jahren wurden Wassertanks, Saatgut und teils auch Nahrungsmittel den am stärksten betroffenen Gebieten zur Verfügung gestellt. Diese Projekte erreichten leider nicht alle Betroffenen – hier spielten die Nichtregierungsorganisationen mit Notfallprojekten eine wichtige Rolle. Durch internationale Unterstützung konnten sie dort in die Bresche springen, wo keine staatliche Hilfe hin kam und später präventive Massnahmen ergreifen um zukünftigen Katastrophen vorzubeugen. Durch diese Massnahmen reichen die Wasserreserven nun ein bisschen länger.